Sonntag, Februar 18, 2007

Dies ist der Tag, den der Herr macht

Heute habe ich nach langer Zeit mal wieder in der Michaelisgemeinde gepredigt:

Psalm 118,24 heißt es: „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein." So geht der Vers nach der Lutherübersetzung und ist vielen von uns ja wohlbekannt durch das alte Lied „Dies ist der Tag, dies ist der Tag, den der Herr gemacht, den der Herr gemacht, ...“. Und dieses Lied passt auch ganz gut zu dem was hier im Vers gemeint ist, denn im Hebräischen stehen hier 2 ganz tolle Worte: zum Einen „nagilah“, das ursprünglich „wir werden uns im Kreise drehen“ bedeutet und auf diese Party- und Tanzbedeutung hin bedeutet es später dann auch „wir werden jubeln“ und das andere Wort ist „samach“, das insbesondere laute Äußerungen der Freude meint. In diesem Sinne überträgt die Hoffnung für Alle den Text dann auch so: „Diesen Tag hat er zum Fest gemacht, lasst uns fröhlich sein und jubeln!“ Gott fordert uns also in seinem Wort heraus, dass wir uns in einem bestimmten Zeitabschnitt mit Körpereinsatz freuen sollen. Und dieser Zeitabschnitt, der hier angesprochen wird ist der, den wir während des Lesens oder Hörens gerade erleben.Und auch wenn Sie gerade Schmerzen in Ihrem Körper haben und in Ihrem Körpereinsatz diesbezüglich stark eingeschränkt sind, gilt Gottes Wort trotzdem. Es gibt diesbezüglich einen sehr coolen Ausspruch vom heiligen Hermann von Alaska, einem Russen, der im 18. Jahrhundert mit 16 Jahren Mönch wurde, im Gebet körperliche Heilung erlebte und später als Missionar nach Alaska ging. Er sagte: „Von heute an, von dieser Stunde an, von dieser Mi­nute an, lasst uns Gott über alles lieben.“ Ein ganz einfacher Spruch, aber ein gewaltiges Lebensmotto, in einem nicht ganz leichten Leben: 14.000 km zu Fuß, um überhaupt erst einmal nach Alaska zu kommen, dann wurden seine 10 Mitmissionare getötet und er musste ganz alleine weitermachen ... Aber sein Lebensmotto blieb: „Von heute an, von dieser Stunde an, von dieser Mi­nute an, lasst uns Gott über alles lieben.“ Ps 118,24 ist einer der vielen Verse, die uns eine wunderbare Perspektive in unserem ganz persönlichen Alltag mit all seinen Einschränkungen eröffnen: Wir dürfen Gott nicht nur an einem bestimmten Tag, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder an einem bestimmten Ort lieben und uns über ihn freuen. Wir können die Grenze ins Land der Freude in jedem Augenblick überschreiten. Vielleicht waren Sie ja gar nicht glücklich, als Sie heute morgen in die Kirche gekommen sind, und Sie können auch nicht vorhersagen, ob Sie nach einer Stunde im Gottesdienst oder morgen oder nächste Woche glücklich sein werden. Aber in dieser Stunde, in diesem Moment – JETZT – können Sie Ihre Augen auf den herrlichen Tag richten, den Gott geschaffen hat, auf den kostbaren Zeitabschnitt, diesen Augenblick jetzt und Sie können sich an ihm erfreuen, Sie können ihn genießen. Die Gegenwart ist die einzige Zeit, über die wir verfügen können. Die Gegenwart ist die einzige Zeit, die wir in gewissen Grenzen auch beeinflussen können. An der Vergangenheit kann ich nichts mehr ändern. Und was die Zukunft bringt, weiß ich nicht, und deshalb kann ich sie nur in begrenztem Maße beeinflussen. Doch genau jetzt, in diesem Augenblick, kann ich alles andere ausschließen und mich ent­schließen, mich zu freuen und damit zumindest einen Samen pflanzen, mein Leben zu verändern. Darüber hinaus verändert der Ent­schluss, sich in der Gegenwart über Gott und alles, was er erschaffen hat, und auch über alles, was er zugelassen hat, zu freuen, nicht nur die Gegenwart, er verändert auch meine Sicht der Vergangenheit und entzündet in mir die Hoffnung für die Zukunft. Wenn man sich das einmal bewusst macht, dann erkennt man, welche Kraft sich im Augenblick der Gegenwart verbirgt, und welche Kraft sich eben auch in solchen Zeitabschnitten wie einem gemeinsamen Zusammenkommen zu einem Gottesdienst verbirgt. Solche Augenblicke oder Zeitabschnitte können ganze andere Abschnitte unseres Lebens verändern. Dass uns das möglich ist, dafür hat Gott gearbeitet. Dieser Tag, dieser Augenblick, dieser Zeitabschnitt war nicht einfach da, er ereignete sich nicht einfach, weil die lineare Zeitausbreitung ihn sowieso hervorgebracht hätte, sondern dieser spezielle Augenblick heute, jetzt im Moment des Zuhörens, sagt Ps 118,24, den hat der allmächtige Gott speziell und persönlich für Sie zubereitet mit seiner Hände Arbeit. Das Hebräische verwendet extra einen besonderen Begriff für „diesen Tag hat der Herr gemacht“ um diesen Umstand hervorzuheben. Es bleibt natürlich eine große Herausforderung, besonders wenn man gerade die nicht so einfachen Zeitabschnitte des Lebens durchlebt. Darum heißt es wohl auch gleich im nächsten Vers: „O Herr, hilf uns doch! Gib uns Gelingen!“ Sich freuen zu können im Augenblick ist Herausforderung und Gnadengeschenk Gottes zugleich. Aber diese Gnade hört niemals auf, wie es dann im letzten Vers von Ps 118 heißt! „Dankt dem Herrn, denn er ist gut zu uns, und seine Gnade hört niemals auf!“ Es ist wahrscheinlich wirklich zu viel verlangt, ein ganzes Leben permanent in der Freude zu leben. Aber ist es zu viel verlangt, nur einen Augenblick lang glücklich zu sein? Sie kennen vielleicht den alten Witz: Wie isst man einen Elefanten? – Indem man einen Bissen nach dem anderen nimmt. Auch das gewaltige Projekt unseres Lebens muss so in überschaubare Schritte zerlegt werden. Und dafür hat Gott selbst uns ja auch ein Vorbild gegeben: bevor er alles Weitere geschaffen hat, hat er zunächst nur einen Tag erschaffen: „Es wurde Abend und wieder Mor­gen: der erste Tag“ (1.Mo 1,5). Das gigantische Werk der Schöpfung war nicht einfach plötzlich da, sondern es entstand nach diesem Strickmuster: „Tag für Tag.“ Schieben Sie also Ihr Glücklichsein und Ihre lauten Äußerungen der Freude nicht auf morgen – es könnte ja sein, dass es nicht auf Sie wartet oder dass Ihnen kein Morgen zur Verfü­gung steht. Sondern fangen Sie einfach an eine Äußerung der Freude abzusondern, die Ihnen jetzt in diesem Augenblick möglich ist und genießen Sie sie. Natürlich können Sie sich jetzt nicht mit dem ganzen Körper im Kreise drehen und laut jubeln, weil Sie ja in der Kirchenbank eingeklemmt sind, aber vielleicht können Sie ein paar Finger auf der Gesangbuchablage tanzen lassen und vielleicht stiehlt sich dabei ein Lächeln auf Ihr Gesicht, als hätten Sie an einem heißen Sommertag genau die richtige Menge Eiscreme gegessen. Genau jetzt ist der Zeitpunkt, ein Samenkorn der Freude in die Erde Ihrer Seele zu legen. Und je aufgewühlter man übrigens ist, also in Zeiten der Herausforderung, desto bessere Chancen hat der Samen auch wirklich zu wachsen und zu blühen. Amen

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