Mittwoch, Juni 24, 2015

Ewiges Leben

Drei Sätze über die Glückseligkeit

— Erstens: Glückseligkeit heißt Vollendung. Es gehört zum Begriff der Glückseligkeit als des äußersten Glückes, daß »nichts zu wünschen übrigbleibt«, daß also, wer immer glückselig ist, das letzte Ziel erreicht hat. »In der vollkommenen Glückseligkeit vollendet sich der ganze Mensch. «

— Zweitens: Vollendung heißt Verwirklichung. Der Mensch erreicht Vollendung, indem der Entwurf, der er selber ist, realisiert und »aus-verwirklicht« wird. Wenn also Glückseligkeit soviel bedeutet wie Vollendung, dann gilt: »Die Glückseligkeit muß in dem äußersten Wirklichsein des Menschen bestehen. «

— Drittens: Verwirklichung geschieht durch Wirken. Damit ist jetzt nicht gemeint, nur durch Tun und Machen werde etwas zustandegebracht. Der Sinn ist vielmehr dieser: »Wirken ist die letzte Verwirklichung dessen, der wirkt«; das heißt: nur indem der Mensch wirkt, verwirklicht er sich selbst.

Natürlich existiert er schon, bevor er wirkt; ohne das vermöchte er gar nicht zu wirken. Das ist selbstverständlich. Es gibt aber eine über das bloß faktische Da-sein hinausdringende Selbstverwirklichung, in der die lebendigen Wesen ein intensiveres und »wirklicheres« Wirklichsein gewinnen: indem sie wirken. Es sollte dem Deutschen, dessen Muttersprache das Seiende als »das Wirkliche« bezeichnet, nicht schwer fallen, diesen Gedanken vom dynamischen Charakter des Seins zu vollziehen. — Die Glückseligkeit also muß gedacht werden als ein Wirken, das alle Seinsmöglichkelten des Menschen zu äußerster Verwirklichung entfacht.

Dies sei, so sagt Thomas, auch der Sinn des Wortes, mit dem die heiligen Bücher vor allem die Glückseligkeit benennen: Ewiges Leben. Der Name meint nicht einfachhin unbeendliches Lebendigsein, sondern höchste Steigerung des Lebendigseins in einem vollkommenen »Lebens-Tun« [— während die Verkehrung des Tuns in sein Gegenteil zugleich Minderung des Lebens bedeutet — und also mit Fug passio heißt, in beiderlei Sinn: »Passivität« und »Leiden«, dessen letzte und endgültige Gestalt der Tod ist].

Aus: Josef Pieper . Lesebuch, S.259f. (in Glück und Kontemplation)

Merken will ich mir unbedingt auch noch: "Muße und Kult", die lange fällige große Polemik gegen den modernen Götzen der Arbeit und "Zustimmung zur Welt - Eine Theorie des Festes"
Seine besondere Anziehungskraft, die sich auch in einer Millionenauflage seiner Bücher zeigt, erklärt sich Pieper selber so: "Offenbar interessierte die Leute das, was ich erzählte. Ich habe immer versucht, keine Fachphilosophie zu betreiben, sondern aufzugreifen, was die Studenten bewegte". Was heißt Feiern, Glauben, Gerechtigkeit? Was Klugheit, Maß und Muße? Daß er nicht unumstritten war, weiß Pieper: "Die Philosophen und Fachleute haben mich ignoriert, weil sie gesagt haben: "Den kann man ja verstehen'". Seine Essays über die Kardinaltugenden, deren erster - "Vom Sinn der Tapferkeit" - 1934 erschien, wurden zu Bestsellern, auch wenn die Veröffentlichung des ersten Bandes unter Hitler fast gescheitert wäre. "Weil ich das Zitat 'Das Lob der Tapferkeit hängt von der Gerechtigkeit ab' aufgenommen hatte, fand ich zuerst keinen Verleger", erinnert sich Pieper.

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