Sonntag, Juli 05, 2015

Paulus und die wilde 14 :-)

Eine Predigt: Wenn wir mit Charismatikern konfrontiert werden oder etwas über Charismen lesen, dann tauchen immer wieder die Begriffe Geistesgaben und Gnadengaben auf und mit den Begriffen auch sofort viele Fragen und Meinungen. Die einen sagen, das gibt’s doch gar nicht mehr, die anderen sagen ohne das kann man gar kein Christ sein und wiederum andere hängen die Charismen so hoch auf, dass fast keiner mehr dran kommt und sagen, Charismen?, das ist nur etwas für ganz heilige Menschen, die in außergewöhnlichen Aufträgen des Herrn unterwegs sind. Und auch wenn ich schon einiges in diesem Bereich erlebt habe, geht es mir immer noch so, dass mich beim Klang des Wortes Charisma der Reiz des Geheimnisvollen überkommt. Die Frucht des Geistes, das klingt nach Bodenhaftigkeit und alltäglichem Ausharren an einem Ort, aber die Gaben des Geistes scheinen den Duft der großen weiten Welt zu atmen. Die Gaben des Geistes sind aber, genau so wie die Frucht des Geistes, dazu da uns Jesus ähnlicher zu machen und uns jeden Tag an den Orten, an denen wir sind, ein Leben in der Nachfolge Jesu zu ermöglichen. Darum heißt die Predigt auch „Charismen – Auswirkungen der Gnade im Alltag“.

Das Ziel der Beschäftigung mit den Charismen ist, wie bei allen anderen Glaubensdingen auch, die Liebe zu Jesus und zu den Menschen und ein tieferes Verständnis des Geheimnisses, von dem Paulus in Kol 1,27 sagt: „Das ist das Geheimnis: Christus lebt in euch; und darin liegt eure Hoffnung: Ihr werdet an seiner Herrlichkeit teilhaben.“ Um zu verstehen, worum es bei diesem geheimnisvollen, brisanten und oft sehr umstrittenen Thema geht, muss ich mit euch heute morgen wieder ein bisschen Griechischstunde machen. Alle Wörter der griechischen Wurzel „char“ bezeichnen etwas, das Wohlbehagen erzeugt. Das ist mir wichtig, dass wir das allen Überlegungen über die Charismen und die Charismatiker voran stellen. Das verlieren wir Christen in der Auseinandersetzung mit diesem Thema und im Eifer des Gefechts nämlich allzu leicht aus den Augen und dann erzeugen die Geistesgaben und der Umgang mit ihnen eher Druck und Unbehagen.
Die Charismen kommen von Gott und darum sind sie ganz natürlich etwas, das Wohlbehagen auslösen soll. „Chara“ heißt die Freude und „charis“ die Gnade. Wenn jetzt zu „charis“ noch die Silbe „ma“ dazu kommt, eine Silbe, die „Wirkung“ bedeutet, dann haben wir das Wort „charisma“, und das bedeutet „Auswirkung der Gnade“. In der Mehrzahl „charismata“, Charismen bedeutet es Geschenke der Gnade, Gaben aus der Gnade des Gebers heraus. Und weil die Geistesgaben ein Geschenk von Gott sind, kann man sich übrigens auch NICHT für sie qualifizieren! Das sollte man sich ganz groß über’s Bett hängen oder vorne in seine Bibel reinschreiben. Man kann sich für die Gnadengaben nicht durch Brav- und Gutsein, noch durch Fasten, nicht durch Reife oder sonst irgendeine Leistung qualifizieren. Wenn es so wäre, wären es ja keine Geschenke mehr, sondern verdiente Belohnungen. Grundlegend ist es doch so, dass unser ganzes Christenleben von Anfang bis Ende eine einzige Auswirkung der Gnade ist, weil unser Christsein allein in dem endgültigen und unverdienten Freispruch durch das Kreuz Jesu wurzelt. So wie es in Röm 5,2 heißt: „Christus hat uns durch den Glauben ein Leben aus Gottes Gnade geschenkt, in der wir uns befinden, und wir sehen voller Freude der Herrlichkeit Gottes entgegen.“ Gnade ist das Wesen von allem, was vom Kreuz her kommt. Gnade ist in uns drin. Und die Definition von Gnade ist: Gnade ist die Überwindung einer Machtdistanz zwischen Starken und Schwachen durch die Initiative des Stärkeren. Und darum und um nichts anderes geht es auch bei den Geistesgaben, den geheimnisvollen Charismen.

Manchmal haben wir vielleicht auch nur so einen Respekt bis hin zu Furcht vor den Charismen, weil sie uns unbekannt sind, weil man nicht so genau weiß wie das eigentlich funktioniert. Ist man dabei noch Herr seiner Sinne oder muss man unbedingt ekstatisch herum rollen und dergleichen mehr. Die Auswirkungen der Gnade Gottes beschränken sich nicht auf die Aufzählungen in Röm 12 und 1.Kor 12, den beiden Hauptkapiteln im NT über die Charismen und sie sehen auch nicht immer gleich aus, sondern wirken sich situativ im Leben der Christen und Gemeinden aus. Weil die Charismen eine Auswirkung der Gnade des allmächtigen Gottes sind, lassen sie sich auch nicht einsperren in unser dogmatisches Denken. 1.Kor 12,6+7: „Es gibt Verschiedenheiten von Wirkungen, aber es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben.“ Das Wort für Nutzen, „symphero“, heißt „zusammentragen, helfen, beistehen, nützen“. „symphero“ ist ein Beziehungsbegriff und zeigt, dass es dem Heiligen Geist um das Bauen der Gemeinschaft, der Gemeinde, geht und nicht darum, christliche Superhelden zu erzeugen. Geistesgaben sind keine Zirkusnummer.

Die Charismen sind dazu da, dass die Gemeinde gebaut wird, dass Menschen zusammengeholt werden in das Liebesnetzwerk Gottes hinein und dass wir einander beistehen und uns gegenseitig helfen. Charismen sind für die Christen ganz normale Werkzeuge, die Gott uns in die Hand drückt, um seine übernatürlichen Ziele zu erreichen. Den Einsatz einer Geistesgabe muss man dabei nicht unbedingt spüren. Die Charismen legitimiert nämlich nicht das Faszinosum des Übernatürlichen, sondern die Erbauung der Gemeinde. So haben wahrscheinlich schon sehr viel mehr Christen charismatisch gehandelt, als sie sich dessen bewusst sind. Die Auswirkung bzw Frucht ist dabei ein wichtiges Merkmal, um zu erkennen, ob man eine Geistesgabe ausgeübt hat. Jede Gabe bewegt sich abhängig von den jeweiligen Lebensherausforderungen in einem Spektrum von „christnormal“ bis übernatürlich und wird in unterschiedlichem Maße von jedem Christen angewendet. Für Paulus ist kein Christ vorstellbar, der keine Gnadengabe hätte, das heißt, in dessen Leben keine Auswirkungen der Gnade wären. Paulus würde also sagen, dass ich mich heute morgen in einem Raum voller Charismatiker befinde und das wollen wir uns anhand von 1.Kor 12 einmal etwas genauer betrachten.

In 1.Kor 12,1 sagt Paulus: „Was aber die geistlichen Gaben betrifft, Geschwister, so will ich nicht, dass ihr ohne Kenntnis seid.“ Nach einer solchen Einleitung kann man erwarten, dass Paulus jetzt auch anfängt uns die Charismen zu erklären und das tut er auch.

1.Kor 12,2+3: „Ihr wisst, dass ihr, als ihr zu den Heiden gehörtet, zu den stummen Götzenbildern hingezogen, ja, fortgerissen wurdet. Deshalb tue ich euch kund, dass niemand, der im Geist Gottes redet, sagt: Fluch über Jesus!, und niemand sagen kann: Herr Jesus!, außer im Heiligen Geist.“ Die erste Auswirkung der Gnade Gottes, die erste Geistesgabe ist die Ermöglichung Jesus Christus den Herrn zu nennen und es auch so zu meinen. Das klingt vielleicht banal und du denkst „Das kann doch jeder“. Aber können die Menschen in deinem Haus, in deiner Schule, in deinem Büro Jesus den Herrn nennen und es auch so meinen und darauf vertrauen? Nein, das können sie nicht und ich konnte es auch nicht, bevor ich ein Christ war, bevor der Heilige Geist in mir Wohnung genommen hat und die Gnade anfing sich in mir auszuwirken und mich zu befähigen. Es ist eine Auswirkung der Gnade im Leben eines jeden Christen. Dieses Charisma hat jeder Christ. Man aktiviert es ganz unbewusst und natürlich bei jedem Gebet, das man spricht, bei jedem Opfer um Jesu willen oder auch bei ersten Schritten in eine neue geistliche Herausforderung hinein. Aber auch hier gibt es Verschiedenheiten von Wirkungen und der Situation angepasste Ausprägungen. Der Märtyrer bekommt in seiner Situation sicherlich einen größeren Zuwachs an dieser Gabe, als wir es heute morgen im Gottesdienst brauchen. Als am 20. April 1999 einer der Killer in der Schule in Littleton in einen Raum hinein fragte: „Wer glaubt hier an Gott?“ und die 17jährige Cassie Bernall aufstand und sagte: „Ich glaube an Gott. Jesus ist mein Herr.“, da brauchte es schon eine Extraportion an Gnadenauswirkung, denn sie wusste ja, dass sie daraufhin erschossen werden würde.

Traditionell spricht man in 1.Kor 12 von 9 Geistesgaben. Unter dem Gesichtspunkt aber, dass Charisma Auswirkung der Gnade heißt, habe ich in 1.Kor 12 vierzehn Charismen gefunden und die will ich jetzt einmal aufzählen und zu jeder Geistesgabe ein paar kurze Gedankenanstöße äußern.

Die zweite Auswirkung der Gnade Gottes, die zweite Gnadengabe ist das Wort der Weisheit. Das Wort der Weisheit zeigt sich darin, dass es einem in Situationen plötzlich klar wie Kloßbrühe ist, wie etwas gemacht oder wie ein Problem gelöst werden soll. Man könnte dieses Charisma auch die Fähigkeit nennen, Beziehungen in Ordnung zu bringen. Wir sehen diese Fähigkeit in Aktion in Gal 2, wo Petrus in Antiochia erst an einem Tisch mit den Heidenchristen sitzt und als dann Jakobus mit anderen Judenchristen aus Jerusalem vorbeikommt, sondert er sich aus Angst vor Jakobus von den Heidenchristen wieder ab. Paulus beobachtet das Ganze und verwickelt Petrus öffentlich in ein Gespräch über die Bedingungslosigkeit der Gnade, was schließlich dazu führt, dass die Beziehungen zwischen allen Beteiligten wiederhergestellt werden. Wie bei anderen Charismen auch, ist es allerdings oft schwer zu unterscheiden, ob bei einem Vorschlag, der ein Problem wirklich lösen kann, unmittelbares Wirken des Heiligen Geistes vorliegt oder „einfach nur“ menschliche Kompetenz. Ich denke, dass sich oft beides vermischt, denn der Heilige Geist wirkt und arbeitet auf allen Ebenen. Gott gibt unmittelbare Eingebungen, er trägt aber auch zur Entwicklung menschlicher Fähigkeiten bei. Wenn du also an bestimmte Situationen zurückdenkst und erlebt hast, dass du etwas gesagt hast und daraufhin ein Konflikt beigelegt oder ein Problem gelöst werden konnte, dann kann es durchaus sein, dass du das Wort der Weisheit bereits angewandt hast. Es ist das lösende Wort in einer festgefahrenen Situation. Wenn du also das nächste Mal in einer solchen Situation bist, dann bete: Heiliger Geist, gib mir jetzt bitte ein Wort der Weisheit. Und dann achte darauf, was für ein Impuls daraufhin in dir hochkommt. Das kann ein einziger Satz oder eine gezielte Frage sein, es kann aber auch ein Witz sein oder eine Geschichte, die den Kern des Problems trifft und durch ihren Impuls den toten Punkt überwindet.

Die dritte Auswirkung der Gnade Gottes, das dritte Charisma ist das Wort der Erkenntnis. Im Gegensatz zum Wort der Weisheit, das sagt wie ein Problem gelöst werden kann, ist das Wort der Erkenntnis dagegen der spontane Einfall, was eigentlich in einer bestimmten Situation das Problem ist. Das Wort der Erkenntnis hat mit einer „zufallenden“ Einsicht in Erlebtes, Erfahrenes oder auch Beobachtetes zu tun, mit dem Ziel, die Wahrheit zu finden. Wenn alles durcheinander und verworren zu sein scheint, bringt das Wort der Erkenntnis den Durchblick in der vorher noch unüberschaubaren Situation. Aber Paulus warnt auch: „Gewiss, wir haben alle Erkenntnis. Doch die Erkenntnis macht aufgeblasen, die Liebe dagegen baut auf.“ Erkenntnis als Auswirkung der Gnade heißt, dass Erkenntnis nur dann zum Aufbau der Gemeinde und zur Hilfe für den Einzelnen beiträgt, wenn sie an das Liebeswirken des Heiligen Geistes geknüpft ist.

Die vierte Auswirkung der Gnade Gottes, die vierte Geistesgabe ist der Glaube, das Vertrauen auf die Realität Gottes. Beim Glauben geht es um eine innere unerschütterliche Gewissheit, die von Beweisen unabhängig ist und ein Vertrauen auf Dinge, die man nicht sehen kann, so wie es in Hebr 11,1 heißt: „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht.“ Als die Jünger in Mt 17 den fallsüchtigen Knaben nicht befreien konnten, nennt Jesus ihren Glauben einen „Zuwenig-Glauben“. Hier wäre mehr notwendig gewesen, als die Jünger mit ihrem persönlichen Glauben zur Verfügung hatten. Jedes Mal, wenn wir über unseren persönlichen Glauben hinausgehen und handeln müssten als wäre Gott tatsächlich real und es dann auch tun, manifestiert sich die Gabe des Glaubens. In Mk 11,22 erklärt Jesus, was das für ein Glaube ist und wie die Gabe des Glaubens funktioniert: „Und Jesus antwortet und spricht zu ihnen: Habt Gottes Glauben. Wahrlich, ich sage euch: Wer irgend zu diesem Berge sagen wird: Werde aufgehoben und ins Meer geworfen! und nicht zweifelt in seinem Herzen, sondern glaubt, dass das entsteht, was er sagt, dem wird es werden.“

Die fünfte Auswirkung der Gnade Gottes sind die Gnadengeschenke der Heilungen. Hier stehen beide Worte im Plural. Ich deute das so: Nicht jeder kann alles heilen. Einer betet und es verschwindet „nur“ Kopfschmerz. Ein anderer erlebt nach seinem Gebet die Heilung von Aids. Und wieder ein anderer heilt Einsamkeit und Ausgrenzung oder erbittet erfolgreich spontane Tröstung eines Trauernden. Das biblische Wort für Krankheit meint sowohl körperliche, wie auch psychische und auch soziale Schwächung. Ich glaube, dass es hier darum geht, durch Gebet Auswirkungen der Gnade in eben all diesen Bereichen zu bewirken. Es gibt viele Formen der Heilung. Manchmal wird eine Krankheit sofort und vollständig geheilt, ein anderes Mal kommt eine Entwicklung in Gang. Dem einen geht es nach einem Heilungsgebet besser, indem sich die Symptome abschwächen und andere bekommen innere Kraft noch weiter auszuharren. Der doppelte Plural bei der fünften Auswirkung der Gnade bezieht sich meines Erachtens auch auf die Vielfalt der Form des Heilungsgebets: Heilung kann geschehen durch Gebet mit Handauflegung, durch die Salbung der Ältesten, durch Fasten und Beten einer Gruppe oder die schlichte Fürbitte eines Einzelnen. Die Gnadengaben der Heilungen können sich auch darin auswirken, dass ein Arzt die richtige Diagnose stellt oder die heilende Therapie findet, dass eine schwierige Operation gelingt oder dass die Wirkung eines Medikaments unterstützt wird. Wenn dir das nächste Mal jemand erzählt, dass er krank ist, könntest du ihn ja einmal fragen ob du für ihn beten darfst, anstatt zu seufzen und ihm eine gute Besserung zu wünschen. Und dann könnte es durchaus sein, dass sich die Gnade Gottes durch dich hindurch in Form einer Heilung auswirkt.

Die sechste Auswirkung der Gnade, das sechste Charisma sind Wirkungen der Kraft, im griechischen „energemata dynameon“, da geht’s also um Energie und um Dynamik. Und deswegen will ich es einmal so definieren: Wunderwirkungen sind dynamische Energievorgänge auf der atomaren Ebene, wie die Verwandlung von Wasser in Wein oder die Neubildung eines zerstörten menschlichen Organs, die den gewöhnlichen Erfahrungen widersprechen zu scheinen. Das Wunder liegt bei der Anwendung dieser Gabe aber nicht in der grundsätzlichen Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Vorgangs, sondern in dem zeitlichen Zusammenhang mit dem ausgesprochenen Gebet. Der Mainzer Mathematikprofessor Hans Rohrbach hat einmal gesagt, dass es durchaus erklärbar ist, wie Wasser zu Wein werden kann. Es geschähe eben wahrscheinlich nur ein Mal in einer Million Jahren. Die Auswirkung der Gnade, das Wunder ist, dass es genau dann passiert ist, als Jesus gesagt hat es soll passieren. Und die weitere Auswirkung dieses Charismas ist, dass die Jünger auf diese Wunderwirkung der Verwandlung von Wasser in Wein hin an Jesu Herrlichkeit glaubten. Kraftwirkungen bewirken etwas in unserer Umgebung, in unseren Beziehungen, in unserem Leben, indem sie den Blick auf Jesu Herrlichkeit richten.

Die siebte Auswirkung der Gnade ist die Prophetie, die auch die Gabe der Weissagung genannt wird. Hier geht es darum, dass zukünftige Ereignisse angekündigt werden oder gegenwärtige Zusammenhänge offenbart werden, um die Gemeinde in ihrem Aufbau voranzutreiben. 1.Kor 14,4: „Wer prophetisch redet, baut die Gemeinde auf.“ Das Wort Prognose ist vielleicht zu schwach, aber unter dieser unverfänglichen Bezeichnung könnte man ja im Alltag einmal anfangen Gedanken zu sammeln, die sich einem im Gebet unwillkürlich zu bestimmten Personen oder Situationen aufdrängen. Dann könnte man diese Gedanken ganz unverbindlich ins Gespräch bringen, ohne zu sagen dass man jetzt prophetisch redet. Und dann kann man beobachten, welche Auswirkung das auf den Bau der Gemeinde hat. So könnte man sich Schritt für Schritt im Gebet diesem Charisma nähern. Interessanterweise betont Paulus ausgerechnet bei dieser Auswirkung der Gnade, dass die Geister der Propheten den Propheten untertan sind, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Geistesgaben die persönliche Verantwortung der Liebe nicht außer Kraft setzen. Wer ohne Liebe weissagt, prophezeit nicht selten schon den Untergang der eigenen Gemeinschaft.

Die achte Auswirkung der Gnade ist die Unterscheidung der Geister, was wörtlich die pneumatische Beurteilung der Dinge ist. Es geht um die Fähigkeit, einen Sachverhalt wie zB eine enthusiastische Glaubensäußerung, ein prophetisches Wort oder auch eine Konfliktsituation mit dem Heiligen Geist zusammen in allen Einzelheiten zu erkennen und in seiner Verschiedenheit von anderem geistlich zu bewerten. 1.Thess 5,21: „Prüft aber alles, das Gute haltet fest!“

Die neunte Auswirkung der Gnade ist das Sprachengebet. Dieses Charisma setzt bei der Fähigkeit des Menschen an Silben zu formen und Laute auszusprechen. Der Unterschied zu deutsch ist nur, dass Millionen von Deutschen das Lautesystem der deutschen Sprache kennen und anerkennen, das Sprachengebet aber nur von Gott selber verstanden wird. Der Heilige Geist benutzt die ausgesprochenen Laute als Trägersignal für eine authentische göttliche Datenfernübertragung. Mit dieser Gabe baut man sich selber immer wieder auf, sagt Paulus in 1.Kor 14,4. Wenn sich die Gnade in dieser Form öffentlich in einem Gottesdienst auswirkt, dann braucht es eine Auslegung dieser unverständlichen Lautäußerung.

Und dazu gibt es zehntens die Gabe der Auslegung der Sprachen. Die Auslegung der Sprachen, die Hermeneutik, ist aber keine Übersetzung der gesprochenen Laute, sondern ein Widerhall dessen, was das Sprachengebet im Geist des Auslegers angestoßen hat. Inhalt eines Sprachengebets sind in der Regel höchstwahrscheinlich Lobpreis und Anbetung, denn wer in einer Sprache redet, redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht es, im Geist aber redet er Geheimnisse, heißt es in 1.Kor 14,2.

Das elfte Charisma ist die Fähigkeit des Apostels, die Fähigkeit ein Sendbote Gottes zu sein. Diese Auswirkung der Gnade zeigt sich entweder darin Verkünder einer neuen Lehre zu sein in einem Umfeld wo die Botschaft von Jesus Christus noch nicht angenommen wurde, so wie Paulus es von sich in Galater 1 erzählt. Das apostolische Charisma kann sich aber auch darin zeigen, Vorkämpfer für einen noch unterentwickelten Aspekt von Gottes Handeln in einer bestimmten Gruppe von Menschen zu sein, wie in Apg 10, wo Petrus dafür einsteht, dass auch die Heidenchristen mit Heiligem Geist erfüllt werden können, was den anderen Judenchristen bis dahin noch nicht klar war. Auch ohne das „Amt“ des Apostels zu bekleiden kann man im Alltag in diesem Sinn apostolisch sein.

Die zwölfte Auswirkung der Gnade ist die Gabe des Lehrers, die sich darin auswirkt auch komplizierte Kenntnisse von Gott in Geduld und mit Langmut so zu vermitteln, dass auch Kinder es verstehen können.

Die dreizehnte Auswirkung der Gnade ist die Hilfeleistung. Hilfe zu leisten heißt, soziale Verantwortung zu übernehmen, weil man Teil einer Gemeinschaft ist und für die man eintritt. Das Charisma der Hilfeleistung wird in allen Situationen gebraucht, in denen die Gefahr der Beeinträchtigung für Leib und Leben eines Menschen besteht und sei die Beeinträchtigung auch noch so gering. Dass man auf ein bestimmtes Ereignis aufmerksam wird und das Wahrgenommene als Situation erkennt, die für die Gesundheit des Betroffenen bedrohlich werden kann, ist eine unbedingte Voraussetzung für die Hilfeleistung, wie man sehr gut an der Geschichte vom barmherzigen Samariter sehen kann. Sinnvoll Hilfe leisten heißt, besonnen und umsichtig das jeweils Richtige zu tun, und nicht hektisch in blinden Aktionismus zu verfallen und das ist ziemlich sicher eine Auswirkung der Gnade Gottes.

Die vierzehnte Auswirkung der Gnade schließlich ist das Charisma der Leitung. Die Gabe der Leitung ist entweder die Fähigkeit zur Entscheidungshilfe in einer bestimmten Situation oder ein Verwaltungsdienst, der dafür sorgt, dass alle bekommen, was sie brauchen. Das Charismatische an der Leitung macht sie nicht geschickter, sondern selbstloser, so, dass sie die anderen aufbaut. Paulus weist im Bild vom Leib Christi darauf hin, dass die Gabe der Leitung nicht über den anderen Gaben steht, sondern diesen zuarbeitet: „Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich“ (1. Korinther 12,21-22). Der Ausdruck kybernesis kommt aus der Schifffahrt und man könnte ihn auch mit „Steuermannskunst“ übersetzen. Charismatische Leiterschaft hat die Aufgabe, einer Gruppe oder einer einzelnen Person zu helfen, den richtigen Weg zu finden.

Und auf den richtigen Weg, das Ziel der Charismen, kommt Paulus dann auch am Schluss von 1.Kor 12 zu sprechen: „Eifert aber um die größeren Gnadengaben! Und einen Weg noch weit darüber hinaus zeige ich euch: Wenn ich in den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel. Und wenn ich Weissagung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß, und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile und wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich Ruhm gewinne, aber keine Liebe habe, so nützt es mir nichts.“ Und damit sind wir wieder beim Anfang der Predigt angelangt, wo ich gesagt habe, dass die Charismen, genau so wie die Frucht des Geistes, dazu da sind uns Jesus ähnlicher zu machen. Das Ziel der Beschäftigung mit den Charismen ist, wie bei allen anderen Glaubensdingen auch, ein tieferes Verständnis der Liebe zu Jesus und zu den Menschen mitten im Alltag. Dass uns das gelingt, dazu segne uns Gott der Allmächtige und Barmherzige, der Vater, der Sohn und die Heilige Ruach. Amen.

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